KÜNSTLERVEREIN WALKMÜHLE

Ausstellung »Die Energie des Lichts«
Exhibition »The Energy of Light«

–> Ausstellungs-Webseite | Exhibition website (English)





Künstlerinformation / Artist information (translation below)


Susan Helen Miller

www.susanhelenmiller.de


»Reverberation (Bluthänfling)«, 2022

Nachtleuchtende Acrylglas-Vogelsilhouette, 23 cm Spannweite






»reverberation«

43 Prozent der 259 regelmäßig in Deutschland brütenden Vogelarten mussten in die aktuelle Rote Liste der Weltnaturschutzunion (IUCN) aufgenommen werden. Somit ist fast jede zweite heimische Brutvogelart vom Aussterben bedroht.

Neben dem biologischen Aussterben warnen Fachleute auch vor dem sogenannten gesellschaftlichen Aussterben. Dies tritt ein, wenn Menschen vergessen, dass bestimmte Arten existieren oder einmal existiert haben. Diese Arten sind dann nicht mehr Teil des kollektiven Gedächtnisses. Es müssen nicht unbedingt Arten sein, die bereits ausgestorben sind. Menschen vergessen auch Arten, die nur noch sehr selten oder in isolierten Gebieten vorkommen. Ihr gesellschaftliches Aussterben kann sogar dazu führen, dass auch das biologische Aussterben beschleunigt wird. Wenn eine Art vergessen ist oder nie bekannt war, ist es unwahrscheinlich, dass sich jemand für ihr Überleben einsetzt.

Dazu kommt, dass unsere Erinnerungen nicht zuverlässig sind. Jedes Mal, wenn wir eine Erinnerung hervorholen, tritt diese Erinnerung in eine labile Phase ein, in der sie neu abgespeichert wird. In dieser Zeitspanne der Rekonsolidierung, die nur wenige Minuten währt, speichert unser Gehirn die Erinnerung neu ab und überschreibt die vergangene. Die neue Erinnerung ist somit kein reales Abbild des Erlebten.

Wenn ein Vogel erst einmal unwiederbringlich verschwunden ist, bleibt uns nur eine vage Vorstellung davon, was dieses Tier ausgemacht hat. So verliert sich in unseren Erinnerung sein Gesang, und das Echo seiner Flügel verblasst. Was bleibt, ist eine schemenhafte Erinnerung, eine verklärte Kombination aus Echtem und Erdachtem.

Die durchscheinenden Silhouetten der Vögel aus Acrylglas werfen ein sanftes Leuchten auf ihre Umgebung, eine vage Erinnerung an ihre einstige Pracht und Schönheit. Sie dienen als visuelle Metapher für die Zerbrechlichkeit der Natur und die Konsequenzen unseres Handelns und sollen den Wandel der bedrohten Tiere hin zu einer verblassenden Erinnerung verdeutlichen und vielleicht auch als Warnung verstanden werden.

Denn wenn die Vögel aussterben, geht viel mehr als nur ihre physische Präsenz verloren. Es ist auch die Poesie des Fliegens, die uns entgleitet. Ihre Anmut und Freiheit sind seit je her ein Spiegelbild unserer eigenen Sehnsüchte und Träume. Ihre Stimmen, melodisch und vielfältig, berühren unser ganzes Sein und erinnern uns daran, dass wir Teil eines größeren Ganzen sind.

Eine Welt, in der wir keine Vögel mehr hören können, verstummt.

Text: Susan Helen Miller



"reverberation"

43 percent of the 259 bird species that regularly breed in Germany had to be included in the current Red List of the World Conservation Union (IUCN). This means that almost every second native breeding bird species is threatened with extinction.

In addition to biological extinction, experts also warn of so-called social extinction. This occurs when people forget that certain species exist or once existed. These species are then no longer part of the collective memory. It does not necessarily have to be species that are already extinct. People also forget species that only occur very rarely or in isolated areas. Their social extinction can even lead to accelerating biological extinction as well. If a species is forgotten or has never been known, it is unlikely that anyone will work for its survival.

In addition, our memories are not reliable. Every time we retrieve a memory, that memory enters an unstable phase in which it is re-stored. During this period of reconsolidation, which lasts only a few minutes, our brain stores the memory anew and overwrites the past one. The new memory is thus not a real image of what was experienced.

Once a bird is irretrievably gone, we are left with only a vague idea of what made this animal tick. Thus its song is lost in our memory and the echo of its wings fades. What remains is a shadowy memory, a transfigured combination of the real and the imagined.

The translucent silhouettes of the acrylic birds cast a soft glow on their surroundings, a vague reminder of their former splendour and beauty. They serve as a visual metaphor for the fragility of nature and the consequences of our actions, and are meant to illustrate the transformation of the endangered animals into a fading memory, and perhaps also to be understood as a warning.

For when birds become extinct, much more than their physical presence is lost. It is also the poetry of flight that slips away. Their grace and freedom have always been a reflection of our own longings and dreams. Their voices, melodic and diverse, touch our whole being and remind us that we are part of a greater whole.

A world where we can no longer hear birds falls silent.

Text: Susan Helen Miller





»Reverberation (Sumpfohreule)«, 2022

Nachtleuchtende Acrylglas-Vogelsilhouette, 105 cm Spannweite




»Reverberation«, 2022

Nachtleuchtende Acrylglas-Vogelsilhouetten.
Oben von links nach rechts: Brachpieper (Spannweite 26 cm), Sandregenpfeifer (Spannweite 55 cm);
Unten von links nach rechts: Steinschmätzer, Uferschnepfe (Spannweite 75 cm)





© Künstlerverein Walkmühle e.V.